CCI, Extractables & Leachables
Mit ihrer aktuellen Fassung USP 41 setzt die US-Pharmakopöe wesentliche Grundlagen für die Sicherheitsbewertung von pharmazeutischen Verpackungen fest. Als zentrale Kriterien werden Container Closure Integrity sowie Extractables & Leachables bewertet. Vorteile und Anwendungsgebiete dieser Analysenmethoden kennt man am OFI genau.
Eine optimale Primärverpackung schützt das Produkt vor Kontaminationen und verhindert eine Veränderung der Produktqualität durch Umwelteinflüsse. Das betrifft insbesondere das Eindringen von Mikroorganismen und Luftsauerstoff.
Mittels Container Closure Integrity Testing kann die Funktionsfähigkeit der Primärverpackung festgestellt werden. Dazu können unterschiedliche Testsysteme angewendet werden, wie sie in der USP 1207.2 im Detail beschrieben sind. Eine grundlegende Überlegung ist, ob die Durchführung zerstörungsfrei erfolgen soll. Mithilfe von modernsten Analysegeräten bietet das OFI dazu individuelle Prüfungsdesigns. Zwei Beispiele zeigen wie Container Closure Integrity Testing funktioniert und in der Praxis angewendet wird.
Zerstörungfreie Prüfung von Glasgebinden
Eine zerstörungsfreie Prüfung von Glasgebinden auf Container Closure Integrity ist mittels Laser-Headspace-Technologie möglich. Voraussetzung dafür ist, dass der Gasraum des Gebindes entweder evakuiert oder mit einem Inertgas befüllt ist. Dabei wird mittels Laser im Gasraum der Sauerstoffanteil gemessen.
Ein steigender Anteil an Sauerstoff indiziert das Eindringen von Luft. Die Messung wird zum Beispiel bei lyophilisierten Produkten angewendet, bei Injektabila in Vials, oder für fertig verpackte Spritzen. Die Prüfung kann sowohl online, als Inprozess-Kontrolle, als auch offline, das heißt, für Freigabeprüfungen und Stabilitätsprüfungen, durchgeführt werden. Einzige Voraussetzung ist, dass das Gebinde aus Klarglas besteht und im Messweg weder etikettiert, noch bedruckt ist. Gegenüber Spuren wie zum Beispiel Fingerabdrücken an der Außenseite ist die Methode dagegen sehr robust, und damit auch sehr zuverlässig in der Anwendung.
Die verwendeten Gebinde können damit nach erfolgter Prüfung weiter verwendet werden. Das OFI führt damit zum Beispiel die Prüfung auf nicht sichtbare Partikel durch, ebenfalls mithilfe einer Laser-basierten Technologie, wie sie in der Ph.Eur. 2.9.19 (Methode 1) und der USP 787 und 788 beschrieben ist.
Blaubadtest
Glasgebinde können ebenfalls auf Dichtheit geprüft werden, indem das Eindringen von Farbstofflösungen untersucht wird. Diese Tests zielen auf den Verschluss ab. Typischerweise werden dabei die Gebinde in eine wässrige Lösung von Methylenblau eingebracht. Durch Anlegen von Vakuum über der Lösung wird bei eventueller Undichtigkeit auch in den Gebinden ein Unterdruck erzeugt, der bei anschließendem Belüften auf Normaldruck die Farbstofflösung in die Gebinde zieht. Daher kann man im Falle von Färbungen im Füllgut eventuelle Undichtigkeiten nachweisen.
Diese Prüfungen werden am OFI auch in Kombination mit einer Quantifizierung des Farbstoffes mittels UV/VIS durchgeführt. Dadurch kann die Nachweisgrenze gegenüber der visuellen Auswertung nochmals deutlich gesenkt werden, und man erhält statt einem qualitativen Test ein quantitatives Testergebnis.
Am OFI wird diese Methode produktspezifisch validiert. Das inkludiert nicht nur die richtige Messung des Farbstoffes im Füllgut. Zusätzlich kann das Eindringen des Farbstoffes auch mittels Positiv- und Negativkontrollen validiert werden. Zur Positivkontrolle werden zum Beispiel Mikrokapillaren zwischen 10 und 20 Mikrometer in die Gummistopfen eingebracht. Dadurch wird ein Loch in einer Standardgröße simuliert, durch welches das Eindringen des Farbstoffes überprüft werden kann. Eine weitere Variante stellt das Lasern dar, womit Löcher bis zu zwei Mikrometer erzeugt werden können. Umfangreiche Überlegungen hierzu gibt die USP 1207.1 wieder.
Chemische Kompatibilität
Bei der Untersuchung von Pharmaverpackungen sind neben dem Container Closure Integrity Test, die Untersuchung von Extractables und Leachables notwendig. Denn neben funktionellen Eigenschaften, wie Barriere-Funktionen, müssen Primärverpackungen auch in chemischer Hinsicht mit dem Produkt kompatibel sein. Die USP 661.1 und 661.2 beschreiben sehr ausführlich, welche Spezifikationen unterschiedliche Polymere für Primärverpackungen einzuhalten sind. Diese können und sollten für ein erstes Aussortieren von geeigneten Materialen noch in der Entwicklungsphase angewendet werden.
Der direkte und zum Teil langfristige Kontakt von Verpackungen aus Kunststoff mit Pharmazeutika birgt jedoch auch die Gefahr des Überganges chemischer Inhaltsstoffe, die nicht absichtlich zugesetzt wurden, oder nicht gelistet werden müssen. Zusätzlich zu der schier unendlichen Zahl an Zusatzstoffen zu den Rohpolymeren, unterliegen Verpackungsmaterialien einer Reihe von chemischen, physikalischen und biologischen Einflussfaktoren, die zu weiteren Abbau- und Reaktionsprodukten führen können. Neben Verpackungen aus Kunststoff, trifft das auch auf Lagerbehälter, Transportschläuche, Filtermaterialien und ähnliches Kontaktmaterialien aus Kunststoff zu.
Oft geschieht der Übergang nur im Spurenbereich und bleibt somit unentdeckt. Im Zuge des vermehrten Kunststoffeinsatzes in den letzten Jahrzehnten konnte beobachtet werden, dass es gerade bei Polymeren durch Wechselwirkungen mit Pharmazeutika zu kritischen Veränderungen kommen kann. Das OFI ist seit Jahrzehnten im Bereich der Überprüfung von pharmazeutischen Verpackungen, Medizinprodukten und Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoffen tätig. Aus Erfahrung wissen wir, dass für die Beantwortung der Frage, welche Substanzen aus den Verpackungsmaterialien in das Produkt übergehen, die Materialkonformitätsprüfung meist unzureichend ist.
Extractables & Leachables
Viele Materialkonformitätsprüfungen sind abhängig vom Vorliegen einer Rezeptur. Die Risikobewertung von nicht näher spezifizierten Kunststoffen gleicht demgegenüber der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen! Hier bieten die USP 1663 und 1664 konkrete Richtlinien zur Durchführung von Extractables & Leachables Studien. Um ein tatsächliches Gefährdungspotential abschätzen zu können, ist es notwendig möglichst alle Substanzen zu erfassen, die vom Kunststoff in das Füllgut migrieren. Erst auf Basis eines solch breiten Screenings kann das Risiko, ein toxisches Gefährdungspotential zu übersehen, minimiert werden.
Im ersten Teil, der Extractables-Studie, werden alle Substanzen erfasst, die im Worst Case aus dem Verpackungsmaterial herausgelöst werden können. Im zweiten Teil, der Leachables-Studie, werden diejenigen Substanzen erfasst, die unter Realbedingungen aus dem Verpackungsmaterial in das Präparat migrieren.
In den Extractables-Studien werden die Kunststoffe typischerweise Extraktionen mit zwei bis drei Lösungsmitteln unterschiedlicher Polarität unterworfen, wie Wasser, Ethanol und Dichlormethan. Zusätzlich werden unterschiedliche Extraktionsmethoden angewendet, wie Soxhlet- plus Ultraschallextraktion, um eventuelle Veränderungen durch die Extraktion selbst zu erfassen. Typischerweise kommt es hierbei zum Beispiel zur Hydrolyse von Carbonsäureestern, wonach auch die korrespondierende Säure mitberücksichtigt werden muss. Andere verbreitete Extraktionsmethoden sind Rückfluss, Hochdruckflüssigkeitsextraktion oder Mikrowelle.
Lösungsmittel und Extraktionsmethode werden dabei so gewählt, dass sie hinsichtlich der chemischen Parameter ein Worst-Case-Szenario des tatsächlichen Einsatzgebietes ergeben. Schließlich sollen diejenigen Substanzen ermittelt werden, die mögliche Leachabels sein könnten. So ist es zum Beispiel sehr unwahrscheinlich, dass extrem lipophile Substanzen, in eine rein wässrige Lösung migrieren.
Bei der Risikobewertung – gegebenenfalls kombiniert mit einer Simulations-Studie mit dem Realprodukt – wird schließlich eine Eingrenzung der möglichen Leachabels auf die wahrscheinlichen Leachables vorgenommen.
Sofern bedenkliche Leachables ableitbar sind, werden über den Lagerzeitraum der Stabilitätsstudien des pharmazeutischen Produktes, die Leachables-Studien durchgeführt. Die Untersuchung über den gesamten Lagerzeitraum ist notwendig, da sich das Verhalten von Polymeren im Laufe des Lebenszyklus ändern kann. Im Rahmen einer Lagerdauer von 24 Monaten und mehr, altern Polymere und können zum Beispiel Additive und andere Substanzen leichter freisetzen, als unmittelbar nach ihrer Herstellung. Ebenso können sich Reaktionsprodukte von Restmonomeren und anderen Substanzen bilden, die erst nach längerer Zeit erkennbar werden.
Chromatographie gibt Antworten
Die Analyse der Extrakte erfolgt typischerweise mittels chromatographischer Methoden, HPLC und GC, wobei meist eine Kombination von Detektoren eingesetzt wird. Eine 100 prozentige Erfassung aller Substanzen ist per se nicht möglich, da jede Substanz nur mit einer beschränkten Anzahl von Detektoren sichtbar ist. Durch Anwendung mehrerer Detektoren wird dieses Risiko minimiert. So wird typischerweise mit der HPLC sowohl UV/VIS als auch MS eingesetzt, und bei der GC FID und MS.
Als direkte Analysenmethode kann auch die Headspace-GC-MS eingesetzt werden, in der der Kunststoff in einem geschlossenen System erhitzt wird und diejenigen Substanzen gemessen werden, die aus dem Material in die Gasphase migrieren.
Wichtiger denn je ist die Strukturaufklärung der detektierten Verbindungen, um ein mögliches toxisches Gefährdungspotential einschätzen zu können. Dafür wird in erster Linie eine hochauflösende Massenspektrometrie eingesetzt. Dennoch stellt sich in der Praxis oft die Frage, welcher der möglichen Strukturvorschläge nun denn korrekt ist. Und oft ist eine Zuordnung nur dann einwandfrei möglich, wenn vom Hersteller die Rezeptur bekannt gegeben wird, und man daraus Abbaureaktionen der Additive mit den nachgewiesenen Extractables in Zusammenhang bringen kann.
Auch auf mögliche Schwermetalle darf nicht vergessen werden, hier hat sich vor allem die ICP-MS oder ICP-OES bewährt. Zum Teil kann auch die Analyse auf elementare Ionen notwendig sein, die man mittels Ionenchromatographie durchführt.
„Die Dosis macht das Gift“
Um das tatsächliche Gefährdungspotential abschätzen zu können, werden zu den einzelnen Studienabschnitten Risikoanalysen durchgeführt. Diese beinhalten die Wahrscheinlichkeit der Migration sowie das toxikologische Potential. Dieses ist üblicherweise von der Konzentration abhängig, sodass grundlegend ein Grenzwert für die Leachables festgelegt werden muss. Denn finden kann man Leachables in Spuren immer. Das ist nur eine Frage der Nachweisgrenze. Von entscheidender Bedeutung ist daher die Kenntnis über die Menge an aufgenommenem Füllgut je Zeiteinheit, also zum Beispiel das Applikationsschema von Arzneimitteln. Gesondert zu betrachten sind in der Bewertung High-Risk-Substanzen, wie Kanzerogene. Hier ist eine möglichst niedrige Nachweisgrenze entscheidend, um bereits geringste Mengen zu detektieren und Gesundheitsrisiken für den Patienten zu minimieren.
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ÜBER DEN AUTOR
Michael Pyerin
Dr. Michael Pyerin leitet den Bereich Pharma, Medizinprodukte & Hygiene am OFI in Wien.
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